© Mit freundlicher Genehmigung des Jahreszeiten Verlages und der Fotografin Angela Franke
Anfang November 2017 ist Herr Professor Otto, der große Förderer, Züchter und Liebhaber von einfachblühenden Dahlien, verstorben.
Bereits in frühen Jugendjahren entdeckte er seine Leidenschaft für Dahlien und trat 1951 in die Deutsche Dahlien- und Gladiolengesellschaft (heute: DDFGG e. V.) ein.
Seitdem engagierte er sich sowohl in der praktischen Züchtungsarbeit als auch mit Publikationsbeiträgen und formalen Fragen, beispielsweise zur Vereinssatzung und zum Namen der Gesellschaft.
Allen Beteiligten sind die angeregten und anregenden Diskussionen sicher in lebhafter Erinnerung.
Seine Familie – Ehefrau Elisabeth, drei Töchter und inzwischen vier Enkelkinder – sowie der große Garten waren sein Lebensmittelpunkt.
Daneben und neben der intensiven beruflichen Tätigkeit war die DDFGG jedoch nicht das einzige Feld, auf dem Herr Otto seine Qualitäten und sein Engagement einbrachte.
In seiner Kirchengemeinde war er ein aktives Gemeindemitglied. Er sang jahrzehntelang im Kirchenchor, übernahm Ämter sowohl auf Gemeinde- als auch auf Kreisebene und kümmerte sich um die Bauangelegenheiten seiner Kirche.
Des Weiteren war er jahrelang Vorstandsmitglied in seinem Berufsverband und arbeitete seit Mitte der 80er Jahre in einem Normenausschuss mit, der nationale und internationale Begriffsnormen für das Gebiet der Elektrotechnik entwickelt.
Für seine Studenten erarbeitete er über Jahrzehnte hinweg eine umfangreiche tabellarische Formelsammlung, deren aktualisierte Neuausgabe er noch im September 2017 – trotz zunehmender Krankheit – fertigstellen konnte.
Und es gab noch weitere Bereiche, in denen sich Michael Otto gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth einsetzte.
Durch ihre großzügige Unterstützung förderten sie wissenschaftliche Dahlienprojekte und ermöglichten wissenschaftlichem Nachwuchs damit den Einstieg ins Berufsleben.
Im Frühsommer 1933 geboren, wuchs Michael Otto als zweites von fünf Geschwistern in einem Forsthaus in Hinterpommern auf, mit großem Garten, teils verwildertem Park, direkt an einem See.
Ein hoher Grad an Selbstversorgung und viele Blumen im Garten waren damals eine Selbstverständlichkeit.
Nachdem die Familie ab Februar 1945 über mehrere Stationen in den Westen entkommen konnte und der Vater eine abenteuerliche Flucht aus der Kriegsgefangenschaft überlebt hatte, fand die Familie im August in Niedersachsen wieder zusammen.
Der Vater wurde in Lüneburg erneut als Forstmeister angestellt, die Familie kam im März 1946 nach und fand dort ihr neues Zuhause.
In diesem Umfeld erhielt der Jugendliche Michael Otto zunächst seine eigene Parzelle im elterlichen Garten, später pachtete er einen Garten in der Nachbarschaft.
Er baute "Nützliches" und Blumen an und entdeckte seine Liebe zu den Dahlien.
Nach Abschluss des Gymnasiums und einer Lehre als Elektriker studierte er in Braunschweig und Berlin Elektrotechnik, arbeitete danach sieben Jahre lang als Projekt- und Entwicklungsingenieur bei der AEG Schiffbau in Hamburg
und lehrte ab dem Jahre 1968 als Dozent an der Ingenieurschule,
später als Professor an der Fachhochschule (heute: HAW) Hamburg Elektrotechnik und Elektrische Regelungstechnik.
Anfang der 60er Jahre gründete er in Lüneburg mit seiner Frau Elisabeth eine eigene Familie und baute bald ein Eigenheim.
Auf dem großen Grundstück in Hanglage entstand ein nach eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen geplanter Garten, den ich im Rahmen der gemeinsamen Arbeit kennenlernen durfte.
Ein Garten, der die Familie mit Obst und Gemüse versorgte, jedoch keineswegs als Küchengarten angelegt war; der neben Obstbäumen, Beerensträuchern, Gemüse und blühenden Sträuchern auch viele seltene Blütenstauden umfasst, Rasenbereiche hat und Plätze zum Verweilen im Schatten bietet.
Jede Pflanze und jeder Ort an dem dafür besten Platz – alles fügt sich zu einem "großen Ganzen" zusammen.
Wer Ottos besuchte und interessiert war, konnte viele interessante Details erfahren: über die spezielle Anlage der Terrassierung, um in der Hanglage des Grundstückes optimal gärtnern zu können,
die Maßnahmen zur Bodenverbesserung, das speziell entwickelte Bewässerungssystem, die vorhandenen Pflanzensammlungen und vieles, vieles mehr.
Immer wurden die Gäste herzlich empfangen und bewirtet und bekamen den Sitzplatz mit der besten Aussicht auf die Blütenpracht.
Einen großen Raum nahmen die einfachblühenden Dahlien im Otto'schen Garten ein – und mit den Jahren wurden es mehr und mehr ...
Bereits 1953 begann Herr Otto mit dem Ausstellen von Dahlien auf Internationalen und Bundesgartenschauen.
Er intensivierte seine Zuchtarbeit durch die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und nochmals nach Beginn seines (Un-)Ruhestandes vor etwa 20 Jahren.
Zuletzt stellte er im September 2017 erfolgreich seine Schnittblumen bei der Hallenschau der IGA in Berlin aus.
Viele Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten nutzte er für seine Züchtungsarbeit, und die von ihm gewonnenen Erkenntnisse teilte er freigiebig mit.
Die akademische Herangehensweise an Probleme spiegelte sich in allen Bereichen des Gartens wider – das, was sich als positiv erwiesen hatte, wurde weiter genutzt und entwickelt, Rückschläge wurden als Informationsquelle für Verbesserungen verwendet.
Nützliche Dinge hat er gern in seinen Alltag übernommen; nicht jedoch Dinge, die ihm persönlich unwichtig waren, auch wenn sie dem Mainstream entsprachen.
Ihm war es beispielsweise lieber, seine Zeit als Pendler in öffentlichen Verkehrsmitteln zum Arbeiten nutzen zu können, als ein schickes Auto zu fahren.
Es war den Ottos wichtiger, Menschen zu fördern, als sich Prestigeobjekte zu kaufen.
Bei unserer Zusammenarbeit "in den Dahlien" hat mich seine tiefe Verbundenheit mit und sein Respekt vor der Natur immer besonders beeindruckt.
Seine Geduld und Ausdauer beim Bonitieren waren außergewöhnlich. Auch nach mehreren Stunden Arbeit (bei wirklich jedem Wetter – egal ob in brennender Hitze oder strömendem Regen) schenkte er noch jeder einzelnen Pflanze die volle Beachtung und erfasste jedes Detail.
Seine Freude nicht nur an Entdeckungen während der Boniturarbeiten, sondern auch an einfachen Dingen, wie auf einem umgestülpten Pflanzgefäß sitzend mit einem Becher Kaffee und einem Stück Kuchen in der Hand,
den Blick ins Dahlienfeld gerichtet, über unterschiedlichste Themen zu sprechen, ist mir immer präsent, wenn ich an die gemeinsame Arbeit denke.
Der bodenständige, weltoffene, freundliche, den Menschen zugewandte, großzügige, verlässliche und interessierte Mensch Michael Otto hat mit dem Ende des Dahlienjahres 2017 seine Augen für immer geschlossen und seinen Lebensgarten sanft verlassen.
Im Leben derer, die ihm begegnet sind, hat er vielfältige Spuren hinterlassen. Seine Arbeit und seine Art können wir in den inzwischen etwa 60 noch existierenden Sorten einfachblühender Dahlien wiederfinden, die er gezüchtet hat.
Die Internetseite www.einfachbluehende-dahlien.de soll auch in Zukunft erreichbar bleiben.
Langfristig werden auf der Seite Beschreibungen, Bilder und Liefergärtnereien zu den Otto'schen Sorten sowie die Neuheiten aus dem Züchtungsprogramm der letzten Jahre bis 2017 zugänglich gemacht werden.
Der aktuelle Internetauftritt wurde großenteils noch gemeinsam mit Michael Otto entwickelt.
Text © Hilke Wegner
Jahrbuch der DDFGG 2017